Projekt Babylotse
Schwangerschaft und Geburt gelten als herausfordernde Umbruchsituation. Der Anteil an Müttern mit psychosozialen Belastungen, die bedeutsam für die gesunde Entwicklung ihrer Kinder werden können, liegt im Durchschnitt zwischen 15% und 23% - so die Einschätzung von Klinikmitarbeitenden in einer Studie des Forschungsinstituts Kantar hat im Auftrag des Deutschen Caritasverbands. Dabei wurden Mütter, Babylotsinnen und Klinikmitarbeitende ausführlich interviewt.
Nach ersten Erfahrungen kann Ulrike Deitmer dies bestätigen: "Die Anfragen sind sehr unterschiedlich", so Deitmer. "Wir bieten den Frauen im Krankenhaus unsere Unterstützung an und vermitteln bei Bedarf weitere Hilfen. Hierbei werden sehr praktische Anliegen formuliert wie Unterstützung bei der Suche nach einer Hebamme, einer Kinderärztin oder einem Tagespflegeplatz weil die Eltern nach dem Mutterschutz gerne wieder arbeiten möchten. Es geht um die finanzielle Absicherung der Familie, die Anmeldung der Kinder beim Standesamt oder wo junge Eltern in ihrem Stadtteil auf andere junge Eltern treffen können. Aktuell kommen auch viele ukrainische Frauen zur Geburt und benötigen vom Kinderwagen über eine schnelle Geburtsurkunde damit der Vater vom Kriegsdienst befreit werden kann, bis hin zu Kinderarzt, Hebamme und Angeboten für ein gutes Ankommen in ihrem neuen Quartier viele Informationen und Unterstützung bei der Herstellung von notwendigen Kontakten für die Bewältigung ihres Alltages in Deutschland.
Auch der Strauß an Emotionen nach einer Geburt ist häufig bunt und vielfältig und umfasst neben tiefem Glück und purer Freude zuweilen auch Trauer, Scham und Verwirrung. Manchmal sogar alles gleichzeitig. Vor allem auch für diese Gefühlsvielfalt nehmen wir uns Zeit und stellen auf Wunsch Kontakt zu Akteur*innen des Bremer Netzwerkes "seelische Gesundheit rund um die Geburt" her - immer mit dem Ziel, dass der gemeinsame Start von Eltern und Kindern auf allen Ebenen gut gelingt. Und grundsätzlich gilt immer: Das Angebot der Babylotsinnen ist freiwillig, jeder Schritt wird mit den Eltern zuvor abgestimmt und die Eltern bestimmen zu jedem Zeitpunkt was passiert!
Ärzt*innen, Hebammen und Schwestern weisen die Eltern auf das Angebot der Babylotsen im St.Joseph-Stift hin, wir suchen die Patientinnen in ihrem Zimmer auf und fragen, ob wir der jungen Familie bei einem Anliegen behilflich sein können. Wir recherchieren für die Eltern, wägen anschließend mit ihnen gemeinsam ab, welches Angebot für ihr Anliegen hilfreich und passend sein könnte und stellen in Absprache den persönlichen Kontakt her oder verabreden auf Wunsch der Eltern auch Termine. So haben die Eltern mehr Ruhe sich auf ihr Baby einzulassen, statt diese wertvolle Zeit in Warteschleifen zu verbringen.
Die Verständigung erfolgt auf Deutsch und Englisch. Wir finden aber immer Wege um mit jeder Familien die unsere Unterstützung in Anspruch nehmen möchte zu kommunizieren - Google Translator, vielsprachige Kolleg*innen im St. Joseph-Stift oder auch kostenloser Dolmetscherdienste sei Dank. Vor allem eine russisch sprechende Pflegekraft erweist sich für die Unterstützung der ukrainischen Frauen aktuell als besonders hilfreich und wertvoll.
Das Projekt Babylotse ist ein bundesweit etabliertes Präventionsprogramm zum vorbeugenden Kinderschutz und zur frühen Gesundheitsförderung von Kindern. Für die Studie des Forschungsinstitutes Kantar wurden Mütter befragt, die die erste Zeit mit dem Neugeborenen als belastend einschätzen. Im Rückblick sind 74% der Mütter, die in der Klinik Kontakt zu einer Babylotsin hatten, zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrem Klinikaufenthalt. Unter den Müttern, die keinen Kontakt zu einer Babylotsin hatten, liegt der Anteil bei 55%. Erstgebärende ohne Kontakt zu einer Babylotsin fühlten sich zu 50% schlecht auf die Entlassung aus der Klinik vorbereitet. Unter denen, die von einer Babylotsin begleitet wurden, waren es nur 20%.
95% der befragten Mitarbeitenden (Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte, Hebammen) in Kliniken mit Babylotsinnen erachten deren Einsatz als unabdingbar, für 97% stellen sie eine Entlastung dar. 84% der befragten Mitarbeitenden in Kliniken ohne Lotsenprogramm halten es für sinnvoll, ein solches einzuführen.
Die Babylotsen führen Aufgaben des Gesundheitssystems, der Familienbildung sowie der Kinder- und Jugendhilfe zusammen. Sie vermitteln Ressortübergreifend in alle Unterstützungssysteme, vermeiden unklare Strukturen und Dopplungen. Das Projekt Babylotse in Bremen wird gefördert durch die Deutsche Fernsehlotterie, von der Stiftung SeeYou - Stark für Familien und von der Stiftung Deutschland rundet auf.