Frühe Hilfen verhindern Folgekosten
Nicolas Haustedt von der Stiftung SeeYou beim Fachtag Babylotse
"Und das ist kein Erkenntnisproblem", so Haustedt weiter. "Der Wert wurde verstanden: Die Bundesfamilienkonferenz hatte sich im vergangenen Jahr für eine gesetzliche Verankerung entschieden. Alle haben zugestimmt, dass Lotsendienste Baustein der Versorgung werden sollten. Dies erfolgte allerdings vor dem Regierungswechsel. Seitdem ist die Stopptaste gedrückt."
Sein Bedauern äußert u. a. ein Case-Manager, der an dem Fachtag teilnimmt. Er schildert, dass die Einrichtungen in Bremen überlastet seien. Gerade Anlaufstellen für kleine Kinder fehlten. Man wisse nicht, wo die Kinder bei einer Eskalation untergebracht werden sollten.
Eine Umfrage des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen NZFH in Geburtskliniken hat ergeben, dass bei 15 % der Geburten eine gesunde Entwicklung des Kindes gefährdet ist. Die Zahl hat sich in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt. 76 % der Befragten sind der Auffassung, dass psychosoziale Bedarfe gestiegen sind. Zwei Drittel der Befragten haben einen Lotsendienst. 80 % von ihnen sagen, ihre Arbeit habe sich dadurch verbessert.
Dies unterstreichen auch Mitarbeiterinnen des St. Joseph-Stifts. Die leitende Oberärztin der Geburtshilfe Dr. Julia Walkenhorst bezeichnet das Projekt Babylotse als großes Glück. "Insbesondere, wenn es nicht um medizinische Fragen geht", so Walkenhorst. "Es gibt Themen, in denen ich keine Expertise habe."
Bei dem Fachtag bieten die beiden Babylotsinnen der Caritas Bremen Ulrike Deitmer und Katrin Sevim Einblick in ihre Arbeit. Sie berichten von der Explosion der Gefühle und Aufgaben, die auf werdende und junge Eltern zukommen. "70 % der Eltern managen das eigenständig", so Babylotsin Katrin Sevim. "30 % benötigen aber Hilfe - das ist unsere Erfahrung. Alle wollen gute Eltern sein. Viele haben jedoch Fragen, die nicht gehört werden."
Die Fragen betreffen das "Eltern werden": Schaffe ich das mit dem Stillen? Was machen wir, wenn das Kind nicht aufhört zu schreien? Wie finden wir heraus, woran es liegt?". Es sind sehr viele praktische Fragen von der Anmeldung beim Standesamt bis zur Beantragung von Elternzeit, die oft an finanziellen Fragen gekoppelt ist. Es sind gesundheitliche Fragen, gerade wenn die Geburt nicht problemlos läuft. Und nicht zuletzt ist die Geburt eines Kindes auch emotional herausfordernd. Wie ist meine Rolle als Vater? Wie schaffen wir es, eine Bindung zu dem Kind herzustellen?
Die Babylotsinnen der Caritas Bremen teilen sich eine Vollzeitstelle. Sie analysieren die Fragen, klären, planen, vernetzen über bestehende Kontakte und evaluieren. Seit vier Jahren sind sie im St. Joseph-Stift eingesetzt und haben rund 2.500 Familien begleitet, davon 250 Familien intensiv, also bis zu ein Jahr nach der Geburt. Das Sozialressort hat nach dem Auslaufen der Anschubfinanzierung durch die Stiftung die Kosten für ein Jahr übernommen. Für das Jahr 2026 gibt es leider noch keine Zusage.
Mehr unter www.caritas-bremen.de/babylotse. Kontakt: Ulrike Deitmer und Katrin Sevim: babylotse@caritas-bremen.de oder Tel. 0162 / 10 81 574, bzw. 0162 / 10 81 558.