 Theater bei 30 Jahre Notaufnahme
Theater bei 30 Jahre Notaufnahme
Die Inobhutnahme-Gruppe für Mädchen in der St. Johannis Kinder- und Jugendhilfe hat ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert. Zur Festveranstaltung am Nachmittag kamen rund 50 Gäste aus Politik und Gesellschaft. Neben Grußworten und einem Fachvortrag führten Mitarbeiterinnen drei Loriot-Sketche auf. Dabei nahmen dabei ihre eigene Arbeit auf’s Korn.
„Mir macht die Arbeit nach all den Jahren immer noch viel Spaß“, sagt Gisela Zaugg, Mitarbeiterin der Notaufnahme. „Wenn ich meinen Dienst beginne, kann immer eine neue Jugendliche in der Einrichtung sein – mit ihrer persönlichen Geschichte. Jeder Tag ist anders und irgendwie ein Abenteuer.“ Neben vielen Gesprächen mit den Jugendlichen gehören die Zusammenarbeit mit Eltern und dem Amt zur Arbeit, sowie Begleitung der Jugendlichen bei Fragen in schulischen Angelegenheiten oder bei Arztbesuchen.
Zaugg gibt zu, dass die Arbeit nicht immer einfach ist: „Wir hatten ein Mädchen, das hat anfangs viel geweint. Das war sehr schwer für mich. Aber jeden Tag ist sie mehr aufgeblüht.“ Die meisten Mädchen bleiben nur wenige Tage. Und doch besteht für jede Jugendliche das Angebot, sich später wieder zu melden. „Viele kommen wieder. Meist gibt es einen Anlass – sie heiraten, bekommen ein Kind oder haben einen tollen Job bekommen. Dann stehen sie plötzlich wieder vor der Tür und wollen uns das einfach nur bei einer Tasse Kaffee erzählen“, so Zaugg.
Caritasdirektor Martin Böckmann lobte die Mitarbeiterinnen: „Sie arbeiten höchst flexibel, selbständig und mit einer hohen Eigenverantwortlichkeit. Sie arbeiten mit Verstand, Verständnis, Verständigung und machen die Notaufnahme zu einem vorübergehenden Zuhause für Mädchen in Not. Denn laut Christian Morgenstern gilt: „Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird.“
Jugendamtsleiter Rolf Diener dankte den Mitarbeiterinnen der Caritas für die gute Partnerschaft. „Die Notaufnahme steht für eine hohe Professionalität und Qualität. Die Arbeit ist geprägt von Bodenständigkeit, Herz und Verstand. Und das trotz der Herausforderungen, schnelle und klare Entscheidungen treffen zu müssen für die jungen Mädchen, die in Not sind. Und zugleich ist es Aufgabe, Grenzen zu setzen.“
Barbara Hellbach , Leiterin des Referats „Junge Menschen in besonderen Lebenslagen“ bei der Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen, sagte: „Wir feiern heute 30 Jahre aktive Arbeit für Kinder- und Jugendrechte. Viele Mädchen melden sich von sich aus, wenn sie in einer schwierigen Situation sind und bekommen bei der Notaufnahme der Caritas Hilfe.“ Hellbach schätzt vor allem die Flexibilität. „Wenn wir sehr viele Mädchen haben, eine junge Frau schwanger ist oder auch eine Mutter mit Säugling kommt – die Notaufnahme der Caritas sucht nach einer Lösung.“
Zum Hintergrund:
Wenn der Streit eines jungen Mädchens mit seinen Eltern eskaliert, wenn es Opfer von Missbrauch und/oder Gewalt ist, dann ist das Mädchen in Not. Ziel der Notaufnahme der Caritas-Erziehungshilfe ist, Mädchen ab zwölf Jahren dann einen Schutzraum zu geben und Perspektiven aufzuzeigen. In der Notaufnahme-Gruppe der St. Johannis Kinder- und Jugendhilfe werden jährlich rund 100 Mädchen aufgenommen. Die Hälfte von ihnen ist bis zu eine Woche in St. Johannis untergebracht, andere bleiben bis zu drei Monate – in Ausnahmen auch länger.
Nach Klärung der Situation, Entwicklung einer Perspektive und vielen Gesprächen kehren viele in ihre Herkunftsfamilie oder zu anderen Verwandten zurück, sie wechseln in eine betreute Wohnform oder man findet andere, individuelle Lösungen.
Die Notaufnahme der St. Johannis Kinder- und Jugendhilfe wurde am 1. April 1984 als erste Einrichtung in Bremen nur für Mädchen gegründet – damals mit drei Plätzen, heute sind es fünf. Obwohl die Kinder- und Jugendhilfe damals von einem Orden geleitet wurde, entschloss man sich für ausschließlich weltliche Mitarbeiterinnen.
In der Stadt Bremen gab es 2013 insgesamt 381 sogenannte Neufälle von Inobhutnahmen in Einrichtungen und damit 9,5 Prozent mehr als im Vorjahr. 70 Prozent waren 12 bis 17 Jahre, 53 Prozent Mädchen. Gründe für steigende Zahlen sind laut Gabriele Witte, Leitung der Caritas-Erziehungshilfe gGmbH, mehr Aufnahmen von jungen Flüchtlingen, die ohne Begleitung Erwachsener nach Deutschland kommen und eine höhere gesellschaftliche Sensibilität, wenn Probleme in Familien auftreten. Mädchen sind auch selbstbewusster geworden und suchen in Notsituationen selbständig Hilfe.
