Die Kombination der Kräfte macht uns stark
Hebammenberatung für Flüchtlingsfrauen beim SkFFoto: Karin Falldorf
Das Projekt "Beratung von schwangeren Flüchtlingsfrauen und Familien mit Kindern unter 3 Jahren" läuft seit Mai 2016 und konnte durch die Förderung der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Aydan Özoğu verwirklicht werden. Unterstützt wird der SkF Bremen bei der Abwicklung vom Deutschen Caritasverband.
"Als ich Anfang 2016 von der Möglichkeit einer Projektförderung erfuhr, habe ich sofort einen Antrag gestellt" berichtet Lisa Schulte, die Leiterin des SkF Bremen. Denn die Situation für schwangere Frauen in den Flüchtlingsunterkünften war desolat. In den Notunterkünften ohne eigene Kochmöglichkeiten fand der besondere Ernährungsbedarf von Schwangeren keine Berücksichtigung. Etliche litten unter Vitamin- bzw. Eisenmangel und unter Schwangerschaftsübelkeit. Frauen, die kurz vor dem Entbindungstermin nach Deutschland einreisten, verfügten noch über keine finanzielle Mittel und waren auf Sachleistungen angewiesen, die in den Unterkünften mehr oder weniger vorhanden waren. Eine Hebammenbetreuung war nur in wenigen Unterkünften gewährleistet. Die Gespräche mit schwangeren Flüchtlingsfrauen, die bereits den Weg in die SkF Schwangerschaftsberatungsstelle fanden, war aufgrund der sprachlichen Hürden sehr zeitaufwändig und konnte nur bedingt hilfreich sein.
Mit den Projektgeldern der Beauftragten konnte eine genau auf schwangere Flüchtlingsfrauen und ihre Familien zugeschnittene Hilfe auf den Weg gebracht werden, die sich durch die enge Zusammenarbeit der zwei Sozialpädagoginnen der Beratungsstelle mit vier Sprachmittlerinnen und einer Hebamme auszeichnet und sich als eine effektive Unterstützung erwiesen hat. "Wir erweitern so unsere Profession" freut sich Beraterin Karin Falldorf. "Die Kombination der Kräfte macht uns stark".
Drei der Sprachmittlerinnen haben selber Migrationshintergrund. Sie können sich noch sehr gut in die Situation hinein versetzen, neu in einem Land zu sein, in dem erst einmal alles fremd ist. Die Ungewissheit und die Sorge um das ungeborene Kind bedeuten eine zusätzliche Belastung für die Familien nach den schwierigen und oftmals lebensbedrohlichen Umständen im Heimatland und auf der Flucht. Mit den Fragen und Anliegen rein sprachlich verstanden zu werden und auf eine Frau mit ähnlichem kulturellen Hintergrund zu treffen, trägt zu einer entspannten Atmosphäre bei und ebnet den Weg, auch sensible und sehr persönliche Themen zur Sprache zu bringen.
Die Beraterinnen informieren die Ratsuchenden umfassend über das deutsche Gesundheitssystem sowie über Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung. Dazu haben sie auch schriftliches Informationsmaterial in anderen Sprachen zusammengestellt und geben es den Frauen in die Hand (z. B. "Was tun Hebammen" in 8 Sprachen und "Infoblatt Geburt" der Krankenhäuser). Sie unterstützen bei der Antragstellung auf einmalige Beihilfen und zu sozialhilferechtlichen Ansprüchen und erläuterten die Verwaltungsabläufe. Sie vermitteln Sachleistungen über die SkF Kinder-Kleiderei. Sie informieren über die Tätigkeit von Hebammen und stellen den Kontakt zu der im Projekt beschäftigte Hebamme Heike Sielaff her.
Anschauungsmaterial im Hebammenraum
Mit Projektmitteln konnte ein eigener Raum für die Hebamme eingerichtet und Material angeschafft werden, anhand dessen die Vorgänge rund um die Geburt anschaulich erläutert werden können. In Begleitung einer Sprachmittlerin berät Frau Sielaff bei Schwangerschaftsbeschwerden und bereitet die Frauen auf die Geburt vor. Sie erläutert den Mutterpass und begleitet ins Krankenhaus zur Anmeldung im Kreißsaal. Sie unterstützt dabei, eine Hebamme für die Wochenbettbetreuung zu finden. Dies gelingt jedoch oftmals nicht, insbesondere wenn Frauen erst kurz vor der Entbindung in die Beratung kommen. In wenigen Einzelfällen kann Frau Sielaff Hausbesuche machen und bei der Pflege, Ernährung und Versorgung des Säuglings unterstützen und beraten.
Um eine nachhaltige Unterstützung der Familien zu sichern, informieren die Projektmitarbeiterinnen über weitere Hilfsmöglichkeiten und vermitteln in Gruppenangebote wie Sprachcafé, Krabbelgruppe, Frühberatungsstelle oder Haus der Familie, möglichst in der unmittelbaren Nachbarschaft. So wissen die Betreffenden, wo sie im Bedarfsfall Hilfe bekommen können, und sie können sich mit anderen Eltern austauschen und Kontakte knüpfen.
Ein Jahr Projektarbeit - in dieser Zeit hat sich die Ausgangslage verändert und es sind neue Themen aufgetaucht. Viele Geflüchtete, auch Schwangere und ihre Familien, leben bereits in einer eigenen Wohnung. Der Auszug aus einer Einrichtung ist verbunden mit dem Wegfall von Ansprechpersonen und die Projektmitarbeiterinnen nehmen hier einen hohen Unterstützungsbedarf war. Die Versorgung von geflüchteten Frauen in Bremen wurde deutlich verbessert. Nun kommen vermehrt psychische Probleme an die Oberfläche, für die kein Raum war, solange die materielle Versorgung nicht gesichert war. Bei mancher Frau stellen sich nach der Geburt Depressionen ein. Dann organisieren die Beraterinnen nach Möglichkeit eine psychologische oder sozialpsychiatrische Betreuung, wobei die Zahl an entsprechenden Fachkräften dem wachsenden Bedarf nicht entspricht. Auch der bundesweite Mangel an Hebammen stellt sich nach wie vor als großes Problem dar.
Die Inanspruchnahme der Beratung für schwangere Flüchtlingsfrauen ist über die Zeit hinweg gleichbleibend hoch. Sie ermöglicht den Neugeborenen einen guten Start ins Leben. Und viele Flüchtlingsfamilien verbinden mit dem Kind, das als erstes Familienmitglied in Deutschland geboren wird, ein Gefühl von Verankerung in der neuen Heimat und die Hoffnung auf eine gute Zukunft.
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