WKB besucht Flüchtlinge
Rund 600 von ihnen sind bereits in Bremen angekommen. Sie treffen auf Hilfsbereitschaft und Verständnis, aber auch auf Ängste und Vorurteile, und auf Behörden, die am Limit operieren, wenn es um kurzfristige Unterbringung und Betreuung geht. Gleichwohl gibt es Ansätze, die Mut machen.
In den Verwaltungen spricht man von "unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen". Es gibt in Deutschland keine Quotierung. Wo sie eintreffen, müssen sie erst einmal angenommen und begleitet werden. Bis zu 40 von ihnen leben seit April vergangenen Jahres jeweils für drei bis fünf Monate in einer Übergangseinrichtung in der Berckstraße, bis die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAst) eine weitere längerfristige Bleibe findet. Die jugendlichen Flüchtlinge - allesamt junge Männer meist zwischen 15 und 18 Jahren, für die vergleichsweise wenigen Mädchen sind kleinere Einrichtungen vorgesehen - "bleiben hier in der Berckstraße so kurz wie möglich, so lange wie nötig", sagt Friedhelm Stock. "Wir wollen sie begleiten und fit machen, damit sie individuell für sich das richtige Angebot finden, sich weiter entwickeln, vielleicht sogar einen Schulabschluss oder eine Ausbildung hinbekommen."
Stock repräsentiert die JUS Jugendhilfe und Soziale Arbeit gGmbH, die die Containerwohnanlage in der Berckstraße gemeinsam mit der Caritas-Erziehungshilfe gGmbH, dem Deutschen Roten Kreuz, Kreisverband Bremen e.V. sowie Alten Eichen Perspektiven für Kinder und Jugendliche gemeinnützige GmbH betreibt. "Die Jugendlichen hier sind motiviert, sich zu integrieren, das macht Spaß, und nur so ist es möglich, mit so vielen jungen Menschen unter einem Dach zu leben", berichtet Stock.
Ja, Krisen habe es auch schon gegeben, räumt er ein. Immer mal wieder musste die Polizei auf dem Hof vorfahren. Weil Konflikte auftraten, die sich mit eigenen Mitteln nicht lösen ließen, weil Dinge eskalierten, die Jugendliche mit äußerst problematischen Vorerfahrungen in die Gruppe trugen, und die so zu einer Belastung für alle wurden. Aber inzwischen habe sich, so Stock, die Lage stabilisiert. Eine Einrichtung wie die in der Berckstraße könne nur vernünftig funktionieren, wenn ihre Bewohner in eine ähnliche, sprich konstruktive, Richtung gehen wollten. Für diejenigen, die das zerstören wollten, weil sie anders aufwuchsen oder anderes mitbrächten, müssten andere Lösungen gefunden werden. "Das zu mischen, schaffen wir hier nicht."
In der Berckstraße läuft nichts ohne Dolmetscher. Einige von ihnen beherrschen vier Sprachen und mehr. Die jugendlichen Flüchtlinge kommen unter anderem aus Guinea, Mali, Somalia, Eritrea, Afghanistan, aus Syrien, dem Senegal oder aus Ägypten. Einige von ihnen sitzen heute mit an der langen Tafel im Gemeinschaftsraum. Christian Weber, Präsident der Bremischen Bürgerschaft und Vorsitzender der Wilhelm Kaisen Bürgerhilfe e.V. (WKB) ist zu Besuch, um zu hören, wie es läuft in der Berckstraße, und um eine WKB-Spende über 3.600 Euro zu überreichen. Mit ihm gekommen sind Arnold Knigge (stellvertretender WKB-Vorsitzender), Ulrich Mosel (stellvertretender Präsident des WKB-Kuratoriums) und Caritasdirektor Martin Böckmann.
Frage an die jungen Flüchtlinge in der Runde: "Warum seid ihr hergekommen, was erwartet ihr hier bei uns?" "Vergessen, was wir schon erlebt haben", antwortet Abdoulaye aus Guinea (Name geändert, d.Verf.). Und: "Einige von uns wollen hier eine Ausbildung machen, oder ein Studium an der Universität aufnehmen, oder erstmal mit der Schule beginnen." Und er fügt hinzu: "Wir würden auch gern hier später arbeiten, wir haben schon viel von Deutschland bekommen."
Aaghaa (Name geändert, d.Verf.) kommt aus Ägypten. Er antwortet auf die Frage, warum er hergekommen sei: "Um ein sicheres Leben für mich und meine Familie zu erreichen. Ich bin Deutschland dankbar, dass man mich hier angenommen hat. Ansonsten wäre ich wohl schon nicht mehr am Leben." Aaghaa hat in seiner Heimat mit einem Studium begonnen, das er hier fortsetzen möchte. Er will Ingenieur werden und anschließend hier seinen Beruf ausüben. "Ich möchte Deutschland zurückzahlen, was die Menschen hier für mich getan haben", versichert er.
Fareed (Name geändert, d.Verf.) ist schon einen Schritt weiter. In kurzer Zeit hat er sich - zusammen mit Betreuern aus der Berckstraße - einen Praktikantenplatz im Bremer Osten sichern können. Das funktioniert nur an einem Wochentag ohne Schule oder anderweitigen Deutschunterricht. Inge Hajen gehört zu denjenigen pensionierten Lehrkräften, die ihre Dienste in der Berckstraße ehrenamtlich zur Verfügung gestellt haben. "Wir können nicht die Arbeit der Bildungsbehörde ersetzen, aber wir geben Stützkurse in Deutsch für einzelne, interessierte Jugendliche oder auch für Gruppen, und wir helfen bei sonstigen praktischen Alltagsaufgaben im Containerwohnheim." Inge Hajen wünscht sich, dass außer der Wilhelm-Focke-Oberschule in Bremen noch weitere Schulen ihre Bereitschaft erklären würden, Vorklassen für die jungen Flüchtlinge einzurichten. Derzeit müssen einzelne Jugendliche bis nach Vegesack fahren, um am Deutschunterricht teilnehmen zu können. Daraus wird dann schon mal eine Tagesreise.
Ansonsten folgt der Tagesablauf in der Berckstraße ziemlich klaren Strukturen. Das sei wichtig, für die weitere Entwicklung der Jugendlichen, findet Betreiber Friedhelm Stock. Aber wichtig sei auch, dass hin und wieder ebenso ganz andere Zeichen gesetzt würden, mit Ausflügen, Abwechslung und Erlebnispädagogik. Junge Menschen suchten nach neuen Erfahrungen. "Sie wollen einfach mal einen Tag raus, um ihre Vergangenheit zu vergessen." Genau dafür war die WKB-Spende, die Christian Weber überbrachte, gedacht.